In der Endphase des Zweiten Weltkrieges nahm die Anzahl der nationalsozialistischen Verbrechen dramatisch zu. Hunderttausende KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene fielen oft unmittelbar vor dem Eintreffen alliierter Truppen Massakern, Todesmärschen oder sogenannten „Evakuierungstransporten“ zum Opfer. So wurde das KZ Mittelbau-Dora Ende März 1945 geräumt, als US-amerikanische Streitkräfte sich näherten. Die Häftlinge wurden auf Todesmärsche getrieben oder mit der Eisenbahn in andere KZs verlegt. Einer dieser Züge strandete am 9. April 1945 in Münchehof.
Da die Gleise durch Luftangriffe zerstört waren, konnte der Zug nicht weiterfahren. Einige Gefangene waren während der Fahrt verstorben andere gerieten bei den Kämpfen in Münchehof zwischen die Fronten oder starben nach der Befreiung an Durchfallkrankheiten, insgesamt 23 Menschen. Sie wurden in einem Massengrab beerdigt. Die Überlebenden wollten den Toten ein würdiges Grab schaffen. Der von den Amerikanern in Seesen eingesetzte Bürgermeister Arno Krosse (SPD) brachte den Gedenkstein ins Spiel, den die Nationalsozialisten 1938 anlässlich des „Anschlusses“ Österreichs in der Stadt aufgestellt hatten. Der Stein mit der Inschrift „GROSSDEUTSCHLAND 1938“ und einer entsprechenden Landkarte wurde so geteilt, dass nur noch „TSCHLAND 1938“ lesbar war – „als Symbol für den zerschlagenen Nazismus“, wie Joseph Soski, einer der ehemaligen Gefangenen, später schrieb. Am 16. September 1945 wurde der Grabstein feierlich eingeweiht. Er war eines der ersten Gedenkzeichen für KZ-Opfer in Deutschland.
Die Toten galten als unbekannt. Jetzt ist es gelungen, drei von ihnen zu identifizieren. Es handelt sich um französische Widerstandskämpfer. Allerdings fehlen Informationen, die den ungewöhnlichen Grabstein und das Schicksal der nun identifizierten Toten erklären.
Dieser Aufgabe haben sich Schülerinnen und Schüler der OBS-Seesen angenommen. Unter der Leitung ihres Geschichtslehrers Cédric Carenini erarbeiten sie eine Geschichts- und Erinnerungstafel, die die Ereignisse in Münchehof einordnet und die Geschichte des „TSCHLAND-Steins“ erklärt. Vor allem wird das Schicksal der drei identifizierten Toten dargestellt.
Die Tafel wird Sonntag, den 6. April um 12:00 Uhr auf dem Friedhof in Münchehof eingeweiht. An der Veranstaltung werden Vertreter der französischen Botschaft, Angehörige der Opfer und der Landesvorsitzende des Volksbundes, Grant Henrik Tonne, teilnehmen.