Verschiedene Medien hatten in den vergangenen Tagen bereits darüber berichtet: Auf der Kriegsgräberstätte des Friedhofs Nord-West Lüneburg (ehemals Anstaltsfriedhof des Landeskrankenhauses) wurden bei Ausgrabungen 35 Opfer der NS-Euthanasie gefunden. Laut Carola Rudnick, Leiterin der Euthanasie-Gedenkstätte Lüneburg, sollte die Kriegsgräberstätte 84 Gräber umfassen. „In den letzten Monaten konnten wir durch die Überprüfung von Sterbeanzeigen feststellen, dass wir mehr Tote haben als Gräber“, sagte sie gegenüber dem NDR Niedersachsen.
Daraufhin begannen am vergangenen Dienstag Ausgrabungen, um die Anlage zu überprüfen. Am Donnerstag dann die Gewissheit: Unter den in zweiter Reihe aufgestellten Grabsteinen lagen keine Gebeine. „Da war niemals ein Grab, völlig unbewegte Erde“ so Jan Effinger, Bezirksgeschäftsführer des Volksbundes in Lüneburg-Stade.
Beabsichtigt war, in diesem Jahr die Kriegsgräberstätte auf dem Friedhof in Lüneburg instand zu setzen und mit neuen Grabzeichen zu versehen, da die 84 vorhandenen Grabsteine zum Teil falsche Namensschreibweisen und unvollständige Lebensdaten aufwiesen und keiner dieser Grabsteine die Staatsangehörigkeit des Kriegstoten verzeichnete, wie es nach Verwaltungsvorschrift zum Gräbergesetz bei Ausländern vorgeschrieben ist.
Diese Maßnahme war bereits im letzten Jahr durch die Hansestadt Lüneburg beantragt und durch das in Kriegsgräberangelegenheiten federführende niedersächsische Innenministerium bewilligt worden.
Im Herbst 2024 hatte dann die Leiterin der „Euthanasie“-Gedenkstätte Lüneburg, Dr. Carola Rudnick, im Rahmen ihrer Forschungen festgestellt, dass in der Landes- Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg weit mehr ausländische Patientinnen und Patienten verstorben waren, als die 84 Kriegstoten auf dem Friedhof, konkret konnte für 30 Verstorbene keine Grablage ermittelt werden. Das veranlasste alle Beteiligten – Stadt, Innenministerium, Gedenkstätte und Volksbund – vor der Neugestaltung der Kriegsgräberanlage eine Sondierung durchzuführen, da der Verdacht bestand, dass vor allem während der Kriegszeit in den ausgewiesenen Einzelgräbern tatsächlich Mehrfachbestattungen stattgefunden haben könnten. Diese Sondierungen wurden nun vom 1. bis 3. April vom Volksbund-Umbetter Joachim Kozlowski durchgeführt.
Das Ergebnis: Bei den sondierten Gräbern in der ersten Gräberreihe konnten keine Mehrfachbelegungen festgestellt werden, aber die Gräber waren belegt und die Leichen – bis auf eine – in Särgen bestattet worden. Die Sondierungen in der zweiten Gräberreihe führten dann Verblüffendes zutage: Unter der kompletten Reihe mit Grabsteinen hat es tatsächlich niemals ein Grab gegeben, zum Vorschein kam nur unberührtes, natürlich gewachsenes Erdreich. Auch deklarierte Umbettungen im Jahre 1975, als die Kriegsgräberstätte in ihrer heutigen Form angelegt wurde, haben tatsächlich gar nicht stattgefunden.
Rudnick spricht von einem Skandal, zumal jahrelang Angehörige hierhergekommen seien, um ihrer Toten zu gedenken.
Weitere Untersuchungen, unter anderem mit Hilfe von Bodenradar und Luftaufnahmen, werden nun durchgeführt, um die verschollenen sterblichen Überreste zu finden.