Im Oberharz bei Oderbrück liegt eine große Kriegsgräberstätte auf gemeindefreiem Gebiet. Darum hat der Nationalpark Harz die Trägerschaft übernommen. Auf der Kriegsgräberstätte ruhen 103 Kriegstote. Dort befand sich seit Anfang der 1990er Jahre eine Geschichts- und Erinnerungstafel. Allerdings wurde diese Tafel beschädigt, zerkratzt, so dass sie in Teilen nicht mehr lesbar war. Gemeinsam mit dem Verein Spurensuche Harzregion entschlossen wir uns, die Tafel zu erneuern, um die inzwischen bekannt gewordenen neuen Erkenntnisse über das Kriegsende im Harz zu berücksichtigen.
Die 14 Toten, die hier als „unbekannter Russe“ bestattet sind, gehörten wahrscheinlich zu einem Arbeitskommando, das ganz in der Nähe der Kriegsgräberstätte am Oderteich stationiert war. Ein Zeitzeuge, der Sohn des damaligen Revierförsters, berichtete, dass er die Leichname der sowjetischen Kriegsgefangenen, die für seinen Vater gearbeitet hatten, im April 1945 gesehen habe.
Die deutschen Soldaten starben Mitte April 1945, knapp drei Wochen vor Kriegsende, bei den Kämpfen gegen die im Harz vorrückende US-Armee. Ein Aspekt blieb lange Zeit unberücksichtigt: im Harz und seinem Vorland gab es 21 KZ-Außenlager und hunderte von Arbeitslagern für Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter. Der Harz war ein Zentrum der deutschen Rüstungsindustrie. Anfang April 1945 durchquerten drei Todesmärsche den Harz. Wenn man über das Kriegsende arbeitet, können diese Ereignisse nicht als Nebensache abgetan werden. Erinnerungsarbeit, wie der Volksbund sie anstrebt, muss die Ereignisse vielmehr in ihrem Zusammenhang betrachten, ganz so wie es die „Göttinger Erklärung“ anregt: Der Volksbund orientiert sich „an der historischen Forschung und wirkt daran mit, Schuld und Verantwortung in ihren historischen und politischen Zusammenhängen herauszuzuarbeiten.“
Darum befindet sich auf der Rückseite der Tafel eine Karte, die den Frontverlauf Anfang April 1945, die Lage der KZ-Außenlager und den Verlauf der Todesmärsche zeigt. Der militärische Widerstand der deutschen Armee brachte nicht nur den jungen deutschen Soldaten den Tod, er verzögerte auch die Befreiung der Lager und verhinderte das Überleben vieler Gefangener. Mindestens 15 der in Oberbrück bestatteten Soldaten gehörten zudem der Waffen-SS an; junge Männer, die in ihrem kurzen Leben nichts anderes als die nationalsozialistische Ideologie kennen gelernt hatten. Einige von ihnen waren zu fanatischen Weltanschauungskriegern erzogen worden.
Wo ist bei diesen Ereignissen im April 1945 die „Ehre“? Der Mut und die Tapferkeit der deutschen Soldaten sind offensichtlich. Sie allein rechtfertigen aber kein ehrendes Gedenken. Wohl aber ist die Erinnerung an die Toten nötig – als Mahnung und Warnung.
Von diesen Gedanken ließen wir uns bei der Erarbeitung der neuen Geschichts- und Erinnerungstafel leiten und regten die Umbenennung der Anlage von „Ehrenfriedhof“ in „Kriegsgräberstätte“ an. Dieser Ort ist eine Erinnerung an unsere Geschichte, an die Mahnungen und Warnungen, die sie an uns richtet. Er zeigt die Folgen was geschieht, wenn eine Gesellschaft Menschenrechte vergisst, demokratische Werte verleugnet und seine Nachbarn mit kriegerischer Gewalt überzieht.

Bezirksverband Braunschweig