Förderer 50+ Workcamp 2016 in Lettland

19 Förderer und 269 Kreuze („viele Hände machen der Arbeit schnell ein Ende“)

Dieses Jahr finden drei Förderer-Workcamps 50+ des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK) statt (Frankreich, Lettland und Italien).

Ein deutliches Zeichen dafür, dass sich der gute Sinn und Zweck immer mehr herumspricht und anerkannt wird. Das Lettland-Workcamp 2016 war das dritte (2009 „Latschenkrug“, Gemeinde Kalnciems und 2015 Makuli) Workcamp in Lettland und dauerte von Samstag 4.6. bis Sonntag 19.6.

Der Start war in Frankfurt/Oder. Da die 2-tägige Busfahrt um 8.00 Uhr begann, übernachteten etliche der insgesamt 19 Förderer im zentral am Bahnhof gelegenen Hotel „City Residence“. Campleiter war der erfahrene Jochen Droste, sowie 4 Fahrer (2 für den Reisebus und 2 für den Materialtransporter; beide Fahrzeuge wurden von der Bundeswehr zur Verfügung gestellt).

Das Reiseziel in Lettland war die ca. 1‘100 km entfernte Stadt Jelgava. Auf der Hin- und Rückfahrt war in Polen die Zwischenübernachtung in Jedrychowo (Heinrichshöfen) im sehr schönen und romantisch gelegenen „Hotel Im Park“; ein ehemaliger und liebevoll hergerichteter Gutshof (Gemeinde Janowen/Heinrichsdorf, ehemals Ostpreussen, Landkreis Sensburg, Masuren). Die 2-tägige Fahrt bis zu unserem Zielhotel „Zemgale“ war sehr interessant und auch für die Wiedersehensfreude und zum gegenseitigen Kennenlernen bestens geeignet. Besonders schön sind die masurische Landschaft mit ihrer Weite und den Seen sowie die vielen Storchennester (derzeit schauten die Jungen aus den Nestern oder wurden gerade gefüttert).

Jelgava (deutsch: Mitau, bis 1919 die Hauptstadt von Kurland) ist die viertgrösste Stadt Lettlands mit ca. 65‘000 Einwohnern. Der Name „Zemgale“ bezieht sich auf Semgallen und ist eine der 4 historischen Landschaften in Lettland. Am Montag 6. Juni fuhren wir nach der Vorstellungsrunde zu unserem ca. 20 km nördlich gelegenen Einsatzort, dem deutschen Soldatenfriedhof bei der Klieveskirche (Gemeinde Kalnciems, ca. 45 km südwestlich der lettischen Hauptstadt Riga). Auf diesem Friedhof sind ca. 400 deutsche Soldaten und auch einige unbekannte russische begraben. Vom  5.01. bis  4.02.1917 fanden hier schwere Kämpfe („Weihnachtskämpfe“) zwischen russischen und deutschen Truppen statt. Unmittelbar beim 1. WK-Friedhof befindet sich die grosse Schulanlage von Kalnciems mit einem Speiseraum für die Verpflegung der Schüler, den wir mitbenutzen durften.

Gabi Droste sorgte im Camp in bewährter Art für die Zwischen- und Mittagsverpflegung.

Der Arbeitsauftrag für den Friedhof lautete:

  • 1. Sämtliche 269 Kreuze in den Grabflächen A und D sind Auszurichten, mit Beton festzusetzen, zu reinigen und zu beschriften.
  • 2. Die Flächen sind zu nivellieren und anschließen einzusäen.
  • 3. Die Fichten sind auf 2 m aufzuasten.

Nach dem Bilden der Arbeitsgruppen wurde sogleich tatkräftig gearbeitet. Unsere Spezialisten (Steinmetzin Regina Wiedemann, Architekt Dieter Sonnenberg, Bauführer Falko Lux und LandschaftsIngenieur Dieter Voßschulte), leiteten in Zusammenarbeit mit Jochen Droste die arbeitsfreudigen Teilnehmer-/innen. Zudem hatten wir zwei Jubilare unter uns: Falko Lux feierte sein 50-jähriges Mitgliederjubiläum und Horst-Ivar Jäger seinen 25ten Workcampeinsatz seit 2001. Hierzu nochmals unser herzlicher Glückwunsch!

Das Richten der Betonkreuze lief wie folgt ab: Bestandsaufnahme (269 Kreuze, grösste Kreuznummer war 392), genaue Position für das Wiedereinsetzen notieren, Beseitigen der überall hoch stehenden Gräser mit dem Freischneider (Kamerad Horst Jäger war so in seinem Element, dass wir ihn bremsen mussten, sonst hätte er vielleicht bis Riga gemäht), Ausgraben (ca. 40 cm tief), Herausheben (ca. je 80 kg), an Sammelorten ablegen, die Kreuzreihen ca. 50 cm tief ausheben (kleiner Bagger wurde aufgeboten), dann ein durchgehendes Fundament aus Kies und Betonschicht erstellen, Kreuze vom Sammelort holen, Betonschicht zum Fixieren der Kreuze einfüllen, Kreuze wieder auf die alte Position stellen, ringsum Beton für die Standfestigkeit einfüllen und feststampfen, Kreuze in Höhe und Seite ausrichten. Zuletzt die Gräben mit der seitlich gelagerten Erde auffüllen, die Flächen zwischen den Gräbern auflockern (Motorfräse wurde aufgeboten) und dann alles mit Schaufel und Rechen nivellieren. Zuletzt die Erde mit einer Walze festwalzen und alles neu einsäen.

Das Bearbeiten der Grabkreuze beinhaltete folgende Arbeitsschritte: Moos mit Spachtel und Stahl- /Wurzelbürste entfernen, Oberflächenbeschädigungen mit Spezialmaterial ausbessern und verspachteln, abgebrochene Kreuze mit Gewindestäben und Schnellkleber zusammenfügen. Das Ausbessern der Beschriftungen wurde auf den liegenden, zuletzt auch auf den wieder eingesetzten Kreuzen vorgenommen. Das Aufasten beinhaltete zudem das Fällen der zu dicht stehenden Fichten (Dieter Voßschulte achtete auf die Sichtachsen!). Die gefällten Bäumchen und das Geäst wurden mit dem Schubkarren zum Sammelplatz gefahren und dort geschreddert. Zudem wurden mehrere alte und dicke Wurzelstöcke aus den Gräberfeldern gefräst (Spezialmaschine wurde aufgebotenen). Alle Arbeiten inkl. Schubkarren-Ralley ersetzten vollumfänglich ein Fitnessabonnement! Das Wetter war uns insgesamt günstig gestimmt.

Leider regnete es bei unserem Besuch in Riga, wo uns eine Angestellte der deutschen Botschaft an ihrem freien Samstag das architektonisch sehr interessante Jugendstilviertel zeigte und wo wir auch eine komplett eingerichtete Jugendstilwohnung besichtigten. Am folgenden Tag besichtigten wir in Begleitung von Herrn Andris Tomasuns mit Sohn (beide sprachen deutsch) die Stadt Jelgava und das größte Barockschloss im Baltikum (ehemals Herrschersitz der Herzöge von Kurland und Semgallen) sowie den grossen Friedhof, auf dem russische und deutsche Gefallene aus beiden Weltkriegen ruhen. Weil wir mit unserer Arbeit gut vorankamen, konnten wir auch noch die Museumsfiliale des lettischen Kriegsmuseums besichtigen, was allen Teilnehmer-/innen die Situation der deutschen Truppen in den Weihnachtskämpfen 1917, im sehr gut rekonstruierten Teil der Festungsanlagen der ersten deutschen Verteidigungslinie, vor Augen führte. Das förderte auch das Verständnis für die auf unserem Friedhof bestatteten unbekannten russischen Soldaten, die sehr wahrscheinlich keine Russen, sondern lettische Schützen waren, die den Hauptstosstrupp der russischen Armee bildeten. Ebenfalls möglich war auch ein Kurzbesuch auf dem nahe gelegenen Friedhof „Latschenkrug“, wo etliche Teilnehmer-/innen 2009 arbeiteten und in Erinnerungen schwelgten. Zur allgemeinen Freude war die damals vom Förderer-Workcamp erstellte Trockenmauer immer noch in einem guten Zustand.

Im Voraus nicht geplant, aber besonders wirkungsvoll war Jochen Drostes Idee, nach einem Gedenkstein zu suchen um auf dem Friedhof unseren Workcampeinsatz zu dokumentieren. Paul Wiedemann fügte zwei Feldsteine mit einem Gewindestab und Mörtel fest zusammen. Regina Wiedemann gravierte an Ort und Stelle das Volksbund-Symbol und die Jahreszahl 2016. Zum Abschluss des Arbeitseinsatzes fand ein Gedenkappell statt. Es wurden das Vaterunser gebetet, die lettische und deutsche Nationalhymne abgespielt und mitgesungen, das Totengedenken gesprochen. Zwei unserer Teilnehmerinnen legten den Kranz am Gedenkstein nieder, ein uniformierter lettischer Trompeter blies dabei das Lied vom „Guten Kameraden“ und die lettischen Gäste legten Blumen am Gedenkstein nieder. Es war eine feierliche Zeremonie. Von lettischer Seite nahmen am Schlussappell teil: Oberst a.D. Janis Racins, (Beauftragter des Volksbundes in Lettland), Herr Ziedonis Caune (Landrat von Jelgava), Frau Maija Lasmane (Leiterin der Gemeindeverwaltung Valgunde) und Frau Mudite Laumane (Direktorin der nahe gelegenen Schule) sowie weitere Gäste aus Militär und Gesellschaft. Und auch die Köchin vom Hotel Zemgale, die 2009 für uns gekocht hatte, war mit Blumen erschienen. Campleiter Jochen Droste und einige lettische Gäste hielten kurze Ansprachen. Eine schöne Geste war, dass alle Teilnehmer-/innen eine rote oder weisse Nelke an einem Soldatengrab ihrer Wahl niederlegen konnten, wobei zu sagen ist, dass auch die unbekannten russischen Gräber eine Nelke erhielten! Aus Termingründen konnte leider niemand von der deutschen Botschaft an der feierlichen Abschlussveranstaltung teilnehmen. Nach dem Gedenkappell traf man sich im Schulspeiseraum, wo Gabi Droste schon einen leckeren Imbiss und die Getränke vorbereitet hatte und Jochen Droste mit launigen Worten den lettischen Teilnehmern Andenken und den Förderern die Teilnehmerurkunden überreichte.

Mit Zufriedenheit kann gesagt werden: Alles hat gut geklappt, die geplanten Arbeiten wurden erfolgreich durchgeführt. Der Spruch „viele Hände machen der Arbeit schnell ein Ende“, hat in diesem Falle gestimmt. Alle Teilnehmer-/innen haben das Workcamp in guter Stimmung und Kameradschaft erlebt und werden es auch so in Erinnerung behalten. 2017 soll ein weiteres Workcamp die verbleibenden Kreuze richten und somit den ganzen Soldatenfriedhof wieder in einen würdigen Zustand versetzen. Auf der Heimreise wurde noch der deutsche Soldatenfriedhof in Bartossen/Polen besucht, wo ein Teilnehmer an der Grabtafel eines Familienangehörigen eine Gedenkkerze anzünden und einen Blumenstrauss ablegen konnte.

Zuletzt soll nicht vergessen werden, Gabi Droste und speziell auch den 4 Fahrern ein GROSSES Dankeschön für ALLES zu sagen!

Text: Hans Peter Adelberger, Teilnehmer aus der Schweiz