Namensziegelprojekt

Namensziegelprojekt

Namensziegelprojekt
Namensziegel für sowjetische Kriegsgefangene – Historische Verantwortung im Dienste der Völkerverständigung

Viele Tote auf Kriegsgräberstätten sind bis heute namenlos, dies gilt besonders fürsowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeitende aus Osteuropa. Der Volksbund regt in Schulen das Projekt Namensziegel an, bei dem sich Schülerinnen und Schüler mit der Biografie eines Toten intensiv beschäftigen und im Anschluss daran einen Namensziegel für ihn fertigen.

Dadurch entsteht eine emotionale Bindung an das Schicksal, die dazu beiträgt, dass die Vermittlung geschichtlichen Wissens nachhaltiger wirkt. Große Beachtung findet dieses Projekt, das mittlerweile von vielen Schulen in Niedersachsen unterstützt wird, auch bei den Familienangehörigen der Toten, die die Friedhöfe in den vergangenen Jahren immer häufiger besuchen.

Historischer Hintergrund

Im Zuge der militärischen Planungen des Überfalls auf die Sowjetunion wurde auch mit der Errichtung von separaten Kriegsgefangenenlagern für Rotarmisten im Reichsgebiet begonnen. Eine Vermischung von sowjetischen mit Kriegsgefangenen anderer Nationen sollte aus ideologischen Gründen in jedem Fall verhindert werden. Die vom Deutschen Reich ratifizierten Grundsätze des Genfer Kriegsgefangenenabkommens von 1929 wurden den sowjetischen Militärangehörigen vorsätzlich verweigert. Es gab insgesamt zwölf dieser sogenannten „Russenlager“, die parallel zu bereits bestehenden Kriegsgefangenenstammlagern (Stalag) aufgebaut wurden.

Nach Kriegsbeginn am 22. Juni 1941 wurden Hunderttausende sowjetische Soldaten als Kriegsgefangene nach Deutschland deportiert. Bis zum Kriegsende gelangten ca. 5,7 Millionen Rotarmisten in deutsche Kriegsgefangenschaft, von denen bis zu 3,3 Millionen durch Hunger, Erfrieren und seuchenbedingten Erkrankungen in Verbindung mit unzureichender medizinischer Versorgung verstarben. Darüber hinaus waren sie der tagtäglichen Gewalt und Willkür der Wachmannschaften ausgesetzt. Der Großteil der Gefangenen kam bereits in den Durchgangslagern hinter der Front ums Leben, also noch bevor sie nach lang andauernden Eisenbahntransporten das Reichsgebiet erreichten. Diejenigen, die den Transport überlebten, hatten eine durchschnittliche Überlebensdauer im Lager von ca. einem halben Jahr.

Die Toten wurden auf in der Nähe der Lager eingerichteten Friedhöfen in Massengräbern bestattet – ohne Kennzeichnung der Grablage, ohne Nennung ihrer Namen und somit noch im Tode ihrer Menschenwürde beraubt. Bei keinem der Kriegsgefangenenlager ist die genaue Anzahl der Inhaftierten und Verstorbenen bekannt. Alle Angaben beruhen auf Schätzungen, die auf Grundlage fragmentarisch vorhandener Personalunterlagen und sonstiger Dokumente im Rahmen der historischen Forschung angestellt wurden.

Bei Kriegsende wurden sämtliche Personalunterlagen der Kriegsgefangenen gemäß der Genfer Konvention den entsprechenden Dienststellen der Heimatstaaten übergeben. Im Fall der Sowjetunion wurden die Dokumente in einem Zentralarchiv in der Nähe von Moskau eingelagert und bis zum Zerfall der UdSSR 1991 unter Verschluss gehalten. In den 1990er Jahren wurde durch ein bilaterales Abkommen der Bundesrepublik Deutschland mit der Russischen Föderation eine Öffnung des Archivs vereinbart und die Personalunterlagen in einer zentralen Datenbank erfasst. Von dieser können Reproduktionen vorhandener Dokumente heruntergeladen werden, um sie für die Auseinandersetzung mit dem Einzelschicksal im Rahmen des Namensziegel-Projekts für Schülerinnen und Schüler nutzbar zu machen.

Umsetzung der Projektidee

Aus den jeweils vorhandenen Dokumenten eines Kriegsgefangenen (Personalkarte, Krankenkarte, Erfassungsliste) können die Schülerinnen und Schüler verschiedene Informationen über den Toten entnehmen. Der Vor- und Zuname sowie das Geburts- und Sterbedatum werden dann auf den Tonziegel geschrieben. Somit wird die menschliche Individualität des anonym Bestatteten für die Schülerinnen und Schüler sichtbar und ihm wird posthum auf symbolische Weise Namen, Identität und Würde wiedergegeben. Der fertig gebrannte Namensziegel wird dann auf der Kriegsgräberstätte im Rahmen einer kleinen Gedenkzeremonie an für Besucherinnen und Besucher sichtbarer Stelle entweder in einem Metallgestell oder an einer Holz- oder Betonsäule angebracht.

Zielgruppe und Zeitaufwand

Der Zeitaufwand für das Projekt beträgt ca. sechs Stunden. Dazu kommt die Zeremonie an der die Namensziegel auf der Gedenkstätte angebracht werden, ggf. sollte noch Zeit für den Gedenkstättenbesuch eingeplant werden.

Das Projekt richtet sich an Menschen ab 15 Jahre. Bis zu 30 Personen können teilnehmen.

Einbindung des Projekts in den Schulunterricht

Dieses Projekt richtet sich an alle weiterführenden Schulen ab Jahrgangsstufe 9. Es ist nicht an ein bestimmtes Schulfach gebunden, sondern kann in Geschichte, Politik, Religion, Werte und Normen durchgeführt werden. Eine fächerübergreifende Umsetzung (zum Beispiel Vorbereitung im Geschichtsunterricht, Anfertigung der Ziegel im Fach Kunst oder Werken) oder die Einbindung in eine Projektwoche sind ebenfalls möglich. Kosten entstehen den Schulen dabei für die verwandten Materialien, außerdem für den Transport und ggf. den Eintritt (zum Beispiel bei einem begleitenden Besuch in einer Gedenkstätte oder einem Museum). Es bietet sich an, mit Klassen einer Schule jährlich Ziegel anzufertigen und das Projekt somit fest im schuleigenen Arbeitsplan zu verankern. Technische Voraussetzung für die Durchführung ist allerdings das Vorhandensein eines Brennofens.

Projektreflexion

Das Projekt „Namensziegel für sowjetische Kriegsgefangene“ ist in vielfältiger Weise nachhaltig. Zum einen hat der Krieg für die Schülerinnen und Schüler mit der Herstellung eines Tonziegels für einen im Krieg verstorbenen Menschen einen persönlichen Bezug bekommen. Darüber hinaus haben sie etwas Bleibendes geschaffen, das über den Tag der Gedenkzeremonie hinaus Bestand hat. Zum anderen erfahren nicht selten Angehörige der Verstorbenen durch persönliche Recherche von dem Bestattungsort ihres Vaters, Großvaters oder Onkels. Das motiviert sie diesen Ort zu besuchen. Bei der Gelegenheit werden sie auf das Namensziegel-Projekt aufmerksam und können erkennen, dass sich die Enkelgeneration des ehemaligen Kriegsgegners seiner historischen Verantwortung stellt. Somit dient das Projekt letztendlich auch der Völkerverständigung.

Projektimpressionen

Kontakt, Beratung und Begleitung

Im Landesverband Niedersachsen stehen Ihnen unsere Bildungsreferentinnen und -referenten auf Bezirksebene zur Verfügung. Sie halten Informationen zum Namensziegelprojekt, über die Aufgaben und Ziele des Volksbundes sowie über verschiedene weitere Bildungsangebote für Sie bereit und beraten und unterstützen Sie bei der Vorbereitung und Durchführung von Schulprojekten.

Karl-Friedrich Boese Bildungsreferent

Bezirksverband Lüneburg-Stade

Dr. Rainer Bendick Bildungsreferent

Bezirksverband Braunschweig 

Coskun Toezen Bildungsreferent

Bezirksverband Hannover

  • Wedekindstr. 32
  • 30161 Hannover
Kristina Seibel Bildungsreferentin

Bezirksverband Weser-Ems